Unser Top-Thema um Juli: Staatlicher Zugriff auf Verschlüsselung: Ein zweischneidiges Schwert
Wenn das Zertifikat schweigt: Warum die Entscheidung von Let‘s Encrypt weitreichender ist, als sie scheint
Am 4. Juni 2025 hat Let‘s Encrypt, eine Nonprofit-Organisation zur Verteilung kostenloser Zertifikate für die Verschlüsselung von Internet-Verkehr, eine scheinbar kleine, aber folgenreiche Änderung eingeführt: Die gemeinnützige Zertifizierungsstelle verschickt keine E-Mail-Benachrichtigungen mehr, wenn ein TLS-Zertifikat kurz vor dem Ablauf steht. Was auf den ersten Blick wie ein technisches Detail wirkt, könnte sich als Stolperstein für viele Betreibende von Webseiten, APIs und IoT-Geräten erweisen.
https://letsencrypt.org/2025/06/26/expiration-notification-service-has-ended
Die Gültigkeitsdauer von TLS-Zertifikaten hat sich in den letzten Jahren deutlich verkürzt:
- Früher waren Laufzeiten von 1 bis 3 Jahren üblich.
- Heute liegt die maximale Laufzeit für öffentlich vertrauenswürdige Zertifikate bei 398 Tagen.
- Let‘s-Encrypt-Zertifikate sind sogar nur 90 Tage gültig.
- Eine weitere Verkürzung wurde vor kurzem erst im CA/Browser-Forum beschlossen.
Diese kurze Laufzeit hat Vorteile:
- Sie minimiert das Risiko bei kompromittierten Schlüsseln.
- Sie erzwingt eine regelmäßige Erneuerung und dadurch eine häufigere Überprüfung.
- Sie fördert die Automatisierung, da eine manuelle Verlängerung für kurze Zeiträume aufwändig ist.
Aber: Wer keine automatische Erneuerung eingerichtet hat, muss sich regelmäßig selbst kümmern oder sich auf Erinnerungen verlassen. Und genau diese Erinnerungen entfallen jetzt.
Als mögliche Konsequenzen drohen:
- Plötzliche Ausfälle von Webseiten
Viele kleinere Webseitenbetreibende oder Hobbyprojekte verlassen sich auf die Erinnerungsmails. Ohne diese Warnung könnten Zertifikate unbemerkt ablaufen, mit der Folge, dass Browser Sicherheitswarnungen anzeigen oder den Zugriff ganz blockieren. - Vertrauensverlust bei Nutzenden
Ein abgelaufenes Zertifikat wirkt auf Besuchende wie ein „digitales Warnschild“. Selbst wenn die Seite harmlos ist, schreckt die Browsermeldung viele ab – besonders bei Onlineshops oder Gesundheitsportalen. - Probleme in der Lieferkette
APIs, Microservices oder IoT-Geräte, die auf verschlüsselte Kommunikation angewiesen sind, könnten durch ein abgelaufenes Zertifikat ausfallen – mit Dominoeffekten in größeren Systemen.
Was können Betreibende tun?
- Automatisierung prüfen: Tools wie Certbot, acme.sh oder integrierte Lösungen in Webservern (z. B. Caddy, Traefik) ermöglichen eine automatische Erneuerung von Zertifikaten.
- Monitoring-Dienste nutzen: Externe Tools wie Uptime Robot, SSLMate, Red Sift Certificates oder Checkly überwachen Zertifikate und senden eigene Warnungen.
- Eigene Skripte einsetzen: Mit einfachen Shell- oder Python-Skripten lässt sich die Gültigkeit von Zertifikaten regelmäßig prüfen und bei Bedarf benachrichtigen.
Fazit: Die Entscheidung von Let‘s Encrypt ist ein Weckruf zur Eigenverantwortung.
Let‘s Encrypt hat das Web sicherer gemacht – kostenlos und automatisiert. Doch mit der Abkehr von Erinnerungsmails wird klar: Die Verantwortung für die Sicherheit liegt bei den Betreibenden selbst. Wer sich nicht kümmert, riskiert Ausfälle, Vertrauensverlust und im schlimmsten Fall wirtschaftliche Schäden.
Zwischen Hype und Realität: Die widersprüchliche Entwicklung der Künstlichen Intelligenz 2025
Die Künstliche Intelligenz (KI) ist zweifellos das technologische Leitmotiv unserer Zeit. Doch während Milliarden in KI-Modelle, Agenten und Infrastruktur fließen, mehren sich zugleich kritische Stimmen, Rückschläge und überraschende Wendungen. Ein Blick auf die Entwicklungen der letzten Wochen zeigt: Die KI-Welt ist voller Widersprüche.
Rückbau statt Revolution: 40 % der KI-Agenten werden wieder abgeschafft
Laut einer aktuellen Prognose von Analyseunternehmen Gartner werden bis 2027 rund 40 % der heute entwickelten KI-Agenten wieder eingestellt, weil sie sich als ineffizient, unpraktisch oder schlicht überflüssig erweisen. Der anfängliche Enthusiasmus für autonome Agenten, die Aufgaben selbstständig erledigen, weicht zunehmend der Erkenntnis, dass viele dieser Systeme in der Praxis scheitern – sei es an mangelnder Integration, fehlender Nutzendenakzeptanz oder schlicht an zu hohen Betriebskosten.
Apple-Studie: KI denkt nicht – sie simuliert nur
Eine brisante Studie von Apple-Forschenden zeigt, dass selbst fortgeschrittene Sprachmodelle bei komplexem logischen Denken versagen. In kontrollierten Puzzle-Umgebungen brachen die Modelle bei steigender Komplexität vollständig ein.
Milliarden für KI – aber wohin?
Gleichzeitig boomt der Markt: 76 Unternehmen wollen KI-Gigafabriken in der EU bauen, um den steigenden Bedarf an Rechenleistung zu decken. Meta, Amazon, Microsoft und andere Tech-Giganten liefern sich ein Wettrennen um Talente, Chips und Marktanteile. Doch IBM-Chef Arvind Krishna warnt: „Wir befinden uns in einer KI-Blase“ – viele Investitionen seien spekulativ und nicht nachhaltig.
https://www.golem.de/news/ex-scale-ceo-zuckerberg-startet-ki-offensive-2507-197619.html
https://www.golem.de/news/arvind-krishna-ibm-chef-warnt-vor-ki-blase-2506-197617.html
KI im Alltag: Zwischen Nutzen und Frust
Ein besonders anschauliches Beispiel liefert der Autovermietender Hertz: Dort sorgt eine KI-gestützte Schadenserkennung für Ärger, weil die Kundschaft hohe Gebühren für kaum sichtbare Kratzer zahlen muss. Auch im Marketing zeigt sich: Texte mit sichtbarem KI-Ursprung schrecken die Interessenten eher ab.
https://www.golem.de/news/marketing-werbung-mit-ki-im-text-schreckt-kunden-ab-2506-197590.html
Talente wandern ab – OpenAI verliert Forschende an Meta
Während OpenAI mit Sicherheitsbedenken kämpft, wechseln führende Forschende zu Meta – ein Zeichen für interne Spannungen und strategische Differenzen in der KI-Elite. Der Wettlauf um die besten Köpfe wird härter und zunehmend politisch.
Fazit: KI zwischen Vision und Realität
Die KI-Entwicklung 2025 ist geprägt von einem Spannungsfeld aus Fortschritt, Überforderung und Rückbesinnung. Während Unternehmen Milliarden investieren und neue Anwendungen testen, zeigen sich zugleich die Grenzen der Technologie, die Skepsis der Nutzenden und die Unklarheit über den gesellschaftlichen Nutzen.
Die Frage ist nicht mehr, ob KI unsere Welt verändert, sondern wie nachhaltig, sinnvoll und verantwortungsvoll diese Veränderung gestaltet wird.
Meta mietet ein Atomkraftwerk für 20 Jahre
Dass die großen KI-Modelle viel Strom ziehen, ist allgemein bekannt. Nun hat Meta eine Vereinbarung mit dem Kernkraftwerk Clinton in Illinois unterzeichnet, dessen Anlage voraussichtlich eine Leistung von 1,12 Gigawatt zur Verfügung stellt, um seinen Bedarf in den kommenden 20 Jahren decken zu können. Zum Vergleich: das Bitcoin-Netzwerk hatte im Februar 2022 rund 23,2 Gigawatt an Leistung. Die fälschliche Bezeichnung als „sauberer Strom“ ist eine der soziotechnischen Auswirkungen des energieintensiven Betreibens von KI-Systemen.
Eine Lücke bei einem Bluetooth-Zulieferer ermöglicht Angriffe auf Mobilgeräte
Sicherheitsforschende von ERNW haben einen Weg gefunden, eine Vielzahl an Bluetooth-Kopfhörern anzugreifen. Sie haben im Protokoll des vielfach eingesetzten Airoha SoC (Socket-on-Chip) Lücken gefunden, durch die sowohl der RAM als auch Flash-Speicher des Chips durch einen nicht gekoppelten Angreifenden ausgelesen und manipuliert werden kann, wodurch auch die verbundenen Geräte und dort gespeicherten Daten gefährdet sind.
Auch wenn die Auswirkungen vermutlich nur für gefährdete Personen (Journalisten, Politiker etc.) praxisrelevant sind, zeigt sich hierbei die besondere Gefahr bei Supply-Chain-Angriffen in Hardware-Komponenten: Ein Update des SDK (Software Development Kits) ist zwar bereits vorhanden, eine Umsetzung in den entsprechenden Geräten aber teilweise noch ausstehend. Auch ist ein Updaten der Geräte oft nur mit den Hersteller-Apps möglich, die kaum genutzt werden.
https://insinuator.net/2025/06/airoha-bluetooth-security-vulnerabilities/