Was sind Phishing-Simulationen und welchen Zweck haben sie bisher verfolgt?
Phishing-Simulationen werden bisher als eine etablierte Methode eingesetzt, um Mitarbeitende gegenüber der Gefahr, welche von potentiell schädlichen E-Mails ausgeht, zu sensibilisieren und zu schulen.
Bei klassischen Phishing-Angriffen per E-Mail wird ein Szenario ausgearbeitet, welches einer tatsächlichen E-Mail sehr nahekommt. Allerdings verweist der Link nicht auf die zu erwartende Website, sondern auf eine präparierte nachgebaute Seite eines Angreifers. Dies verfolgt den Zweck, Nutzerdaten abzufangen und für weitergehende Angriffe zu nutzen.
Die sogenannte Phishing-Simulation verfolgt denselben Zweck. Hierbei folgt allerdings kein Angriff auf das Unternehmen, sondern ein Bericht entsteht, welcher die Ergebnisse der Simulation aufarbeitet. Mit diesem Bericht soll ein Unternehmen zum einen ein Gefühl dafür bekommen, wie die Mitarbeitenden auf Phishing-E-Mails reagieren, zum anderen um einen Überblick zu erhalten, wie gefährdet Sie durch Phishing sind. Dazu sei kurz erwähnt: Am Ende kann eine Reaktion auf eine Phishing-E-Mail, z. B. die Eingabe valider Zugangsdaten, ausreichen, um einen Angriff auf das Unternehmen erfolgreich zu machen. Es sollten immer weitere Maßnahmen getroffen werden, um das Unternehmen abzusichern. Beispielsweise sei hier zu nennen: Der Aufbau einer Zero-Trust-Architektur, Einsatz von Multifaktor-Authentifizierung etc.
Warum sind klassische Phishing-Simulationen doch nicht so vielversprechend wie bisher erwartet?
Eine kürzlich veröffentlichte Studie, über die Heise bereits berichtet hat, legt nun den Schluss nahe, dass Phishing-Simulationen, wie sie bisher durchgeführt wurden, doch nicht so vielversprechend sind, wie häufig behauptet. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Phishing-Simulationen nur zu einem sehr geringen Grad als alleinstehende Awareness-Maßnahme weiterhelfen.
Aber was bedeutet das nun genau? Sollte gänzlich auf Phishing-Simulationen verzichtet werden, oder muss die Erwartungshaltung an Phishing angepasst werden?
Die Autoren haben in einer Phishing-Simulation mit ca. 19.500 Mitarbeitenden monatlich Phishing-E-Mails an alle Mitarbeitenden versendet und dabei die Effektivität verschiedener Schulungsmaterialien, welche direkt nach einem Klick auf den präparierten Link angezeigt wurden, untersucht. Dabei zeigen sie auf, dass der Schulungserfolg durch Phishing-Simulationen, wider der bisherigen Erwartung, nicht oder nur minimal gegeben ist. Im Vergleich der verschiedenen Kampagnen über einen Zeitraum von acht Monaten konnte keine signifikante Änderung des Klickverhaltens der Mitarbeitenden dokumentiert werden. Ein Vergleich des Durchführungsdatums einer jährlichen webbasierten Sicherheitsschulung mit dem Klickverhalten einzelner Mitarbeitenden zeigte, dass solche Trainings nahezu keinen Einfluss auf die Awareness der Mitarbeitenden hatten. Interaktives Trainingsmaterial, welches nach einem Klick angezeigt wurde, konnte zur Steigerung der Awareness beitragen, jedoch wurde dieses Trainingsmaterial in den allermeisten Fällen nicht betrachtet.
Deshalb sollten Phishing-Simulationen nur als ein Bestandteil eines Gesamtkonzepts für Awareness betrachtet werden. Um die Sicherheit unmittelbar zu erhöhen, sollte auf technische Maßnahmen gesetzt werden. Beispielsweise kann man mit der Verwendung von FIDO2 bzw. dem Einsatz von Passkeys die Möglichkeit eines Phishing-Angriffs zum Abgreifen von Zugangsdaten eliminieren. Jedoch sollte der Faktor Mensch dadurch nicht außer Acht gelassen werden, da mittels Phishing nicht nur Passwörter abgegriffen werden können. Durch Social Engineering könnten Mitarbeitende in schadhaften Mails oder in Telefonanrufen beispielsweise dazu bewegt werden, Überweisungen zu tätigen oder schadhaften Code auszuführen. Der Modus, wie geschult wird, muss sich also ändern.
Es sollte allen Personen im Unternehmen klar sein, worauf es bei E-Mails zu achten gilt und vor allem, welche Möglichkeiten es im Unternehmen gibt, um Phishing E-Mails zu melden oder prüfen zu lassen. Hierzu sollte eine niederschwellige Lösung wie z. B. ein extra Button im E-Mail-Client verfügbar sein. Eine kurze Zeit bis zur ersten Meldung und eine hohe Melderate sind ausschlaggebend, damit ein Unternehmen schnell auf Phishing-Angriffe reagieren und Schäden abwenden kann.
Wofür können Phishing-Simulationen trotzdem noch verwendet werden?
Bisher wurden Phishing-Simulationen als Schulungsmaßnahme betrachtet, welche eingesetzt wird, um den Mitarbeitenden eine reale Erfahrung in einer geschützten Umgebung zu bieten. Dabei haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, Fehler zu machen, ohne Konsequenzen zu fürchten. Es wurde bisher davon ausgegangen, dass die direkte Präsentation von Schulungsmaterial nach dem Fehlverhalten einen erhöhten Schulungseffekt im Vergleich zu normalen Schulungen hat. Der Weiterbildungsaspekt tritt bei solchen Simulationen als alleinstehende Maßnahme allerdings nicht wie gewünscht ein.
Nichtsdestotrotz kann ein Unternehmen durch Phishing-Simulationen weiterhin interessante Einsichten erhalten, gerade um einen ersten Überblick über die Resilienz zu bekommen. Die Szenarien sollten jedoch individuell auf den Kunden und die gewünschten Zielgruppen abgestimmt sein. Wenn in den Phishing-Simulationen im Gegensatz zur Studie auch die Login-Eingabe-Rate und die Melderate erhoben werden, kann ein sinnvoller Überblick über die potenziellen Auswirkungen eines Phishing-Angriffs aufgezeigt werden. Eine möglichst hohe Melderate ist für die IT-Abteilung wichtig. Nur so kann beispielsweise entschieden werden, ob eine kurzfristige Kommunikation an alle Beschäftigten notwendig ist. Hierbei sind insbesondere eine kurze Zeit bis zur ersten Meldung und wohldefinierte nachgelagerte Prozesse notwendig, um schnell agieren zu können und Schaden durch übermittelte Zugangsdaten einzugrenzen.
Auch hierbei sei gesagt, natürlich handelt es sich bei den Ergebnissen einer Phishing-Simulation lediglich um eine grobe Momentaufnahme. Verminderte Klickrate durch Abwesenheiten, eine interne Kommunikation über Phishing-Aktivitäten oder das Klicken und Eingeben von Daten aus Neugierde können die Ergebnisse verfälschen. Dennoch kann die Simulation mit begleitender Kommunikation das Thema Phishing bei den Mitarbeitenden in Erinnerung rufen.
Gibt es Alternativen zu klassischen Phishing-Simulationen?
Wenn Phishing-Simulationen nun nicht die Erwartungen erfüllen können, die man sich wünscht: Gibt es Alternativen, die einen anderen Ansatz verfolgen?
Tatsächlich gibt es eine ähnliche Schulungsmaßnahme mit einem anderen Ansatz. Im Security Blog von Google wurden sogenannte Phishing Drills vorgeschlagen. Bei einem Phishing Drill ist der Aufbau der Maßnahme im ersten Schritt ähnlich. Der oder die Mitarbeitende erhalten eine E-Mail. Diese E-Mail enthält allerdings eine klare Aussage: „Ich bin eine Phishing-E-Mail!“ und „an den folgenden Kriterien kann dies festgestellt werden“. Des Weiteren wird den Mitarbeitenden der interne Meldeweg erklärt und sie werden animiert, den Meldeweg für diese E-Mail einmal praktisch zu üben, um den Ablauf im Umgang mit erkannten Phishing E-Mails zu verinnerlichen. Bei klassischen Phishing-Kampagnen interagieren üblicherweise ausschließlich die Mitarbeitenden mit dem Schulungsmaterial, welche auf die simulierte Phishing-E-Mail hereingefallen sind. Diese Thematik wird auch in der genannten Studie adressiert. Ein Phishing-Drill wirkt dem entgegen, indem alle Mitarbeitenden in die Maßnahme einbezogen werden. Er kann wie eine Brandschutzübung verstanden werden, in der die Mitarbeitenden die relevanten Meldewege und Prozesse in Erinnerung rufen und aktiv durchlaufen.
Insgesamt können klassische Phishing-Simulationen alleinstehend keine umfassende Wirkung entfalten. Auf die jeweilige Umgebung abgestimmte Kampagnen sollten vielmehr als Teil eines übergeordneten Ansatzes mit weiteren Maßnahmen, wie dem Schaffen einer guten Meldekultur ohne ein Gefühl der Angst, ausgereiften und zielgruppenorientierten Schulungsformaten, Phishing-Drills und einer bewussten internen Kommunikation, angesehen werden.
Referenzen:
- Google Blogbeitrag über das Thema Phishing Drill:
https://security.googleblog.com/2024/05/on-fire-drills-and-phishing-tests.html - Studie zur Wirksamkeit von Phishing-Simulation:
https://people.cs.uchicago.edu/~grantho/papers/oakland2025_phishing-training.pdf - Heise Artikel zur Studie:
https://www.heise.de/news/Verbesserung-von-nur-1-7-Prozent-Phishing-Training-fast-immer-wirkungslos-10539174.html - Podcast zum Thema FIDO2: