GPS Jamming in Europa

Durch aktuelle Vorkommnisse von GPS-Jamming und GPS-Spoofing wurde uns mal wieder vor Augen geführt, dass auch ubiquitäre Basisdienste ein Risiko beinhalten.

Erinnern wir uns zunächst daran, was GPS (Global Positioning System) eigentlich ist: Eine Vielzahl von Satelliten, die gleichmäßig über den Globus verteilt sind, senden in sehr kurzen Abständen ihre Position und die aktuelle Uhrzeit. Am Boden befinden sich Empfänger, die aus den Signalen von mindestens vier Satelliten ihre eigene Position bestimmen können. Als Nebeneffekt kennt der GPS-Empfänger auch die aktuelle Uhrzeit. Schutzmaßnahmen gegen gezielte Störungen sind in der zivilen Verwendung nicht vorgesehen.

Wie bei jedem Funksignal gibt es zwei grundlegende Angriffsarten: Jamming und Spoofing.

Beim Jamming wird ein Störsender aufgebaut, der ein stärkeres Signal aussendet als die regulären Sender. Dieser sendet dann wahlweise ein Rauschen oder gezielte Signale aus, um nur bestimmte Elemente des ursprünglichen Signals zu überlagern.

Beim Spoofing werden sogenannte Fake-Sender aufgebaut, die sich als reguläre Sender ausgeben, aber Signale senden, die einem eigenen Zweck dienen.

Neben GPS funktionieren diese Angriffe vom Prinzip her z. B. auch bei Mobilfunk, Wifi, Bluetooth und DECT. Der eine oder andere Funkstandard ist auf der Netzwerk- oder Transportschicht mit Maßnahmen zur Spoofing-Erkennung ausgestattet, die es dem Fake-Sender erschweren, sich als regulärer Sender auszugeben. Da GPS nicht über solche Maßnahmen verfügt, behelfen sich die GPS-Empfänger mit einem Ausreißertest, bei dem Signale, die zu stark von den anderen Signalen abweichen, aussortiert werden. Wenn es aber mehr falsche als richtige Sender gibt, werden die richtigen aussortiert. Manche GPS-Empfänger verwerfen daher alle GPS-Signale, wenn zu viele Ausreißer vorhanden sind. Die Folge ist, dass dann die eigene Position nicht mehr über GPS bestimmt werden kann.

Darüber hinaus könnten GPS-Empfänger statt Rundstrahlantennen auch Richtfunkantennen verwenden und diese so ausrichten, dass sich Fake- oder Jamming-Sender immer über dem GPS-Empfänger befinden müssten. Dies könnte dann aber immer noch mit Drohnen oder satellitengestützten Fake-Sendern überlistet werden.

Wenn man sich das anschaut, wird schnell klar, dass der Angriff auf GPS möglich, aber nicht billig ist. Und so hat sich GPS zu einem ubiquitären Basisdienst entwickelt und findet Einsatz  

  • in der Landwirtschaft, um die exakte Position von Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen zu bestimmen
  • im Umweltschutz und in der Forschung, um Tierbewegungen zu verfolgen, Ökosysteme zu kartieren und Umweltveränderungen zu überwachen,
  • im Flottenmanagement, um Firmen-Fahrzeuge zu verfolgen, Routen zu optimieren und die Auslieferung von Waren zu verbessern,
  • beim Sport und Fitness in Wearables wie Smartwatches und Fitnesstrackern, um Aktivitäten wie Laufen, Radfahren und Wandern aufzuzeichnen,
  • beim Geocaching, um an bestimmten Koordinaten versteckte Behälter zu finden,
  • in der Zeit- und Frequenzsynchronisation als Referenz für genaue Zeit- und Frequenzmessungen,
  • bei Bauprojekten und der Vermessung, um Baustellen zu planen, Maschinen zu steuern und Gebäude genau zu vermessen

und vieles mehr.

Nur wenige Organisationen planen Alternativen für den Fall, dass GPS ausfällt. Ein Beispiel ist ein Flughafen in Estland: hier war eine GPS-gesteuerte Landung der Flugzeuge notwendig. In der Umgebung sind jedoch GPS-Störsender aktiv. Es wird allgemein vermutet, dass in diesem Fall Russland der Verursacher ist und die GPS-Störung/-Manipulation Teil der hybriden Kriegsführung ist.

https://www.heise.de/news/Wegen-GPS-Jamming-Flughafen-in-Estland-wird-erst-einmal-nicht-mehr-angeflogen-9703152.html

https://www.zeit.de/digital/2024-05/gps-jamming-estland-russland-flugverkehr-infrastruktur

Dachte man am Anfang noch, dass sich niemand die Mühe machen wird, so hat man nun einen Kollateralschaden, weil keine Alternativen vorbereitet wurden. Dies sollte jedem eine Warnung sein, der auch bei sich ubiquitäre Basisdienste einsetzt, ohne eine Risikoabschätzung gemacht zu haben, als Kollateralschaden zu enden. Wer betrachtet denn z. B. seine Cloud-Dienstleister als ubiquitäre Basisdienste?

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