Après-Kasper-Ski? Warnungen vor russischer Software

Die IT-Supply-Chain ist in den letzten Jahren nicht zuletzt dank internationaler Vorfälle wie Solarwinds oder Kaseya stark in den Fokus gerückt. Dabei geben wird schon seit Jahrzehnten gewissen Softwaretypen („Hilfs- oder Dienstprogramme“) tiefsten Einblick und Zugriff in bzw. auf unsere IT-Systeme.

Dass insbesondere Antiviren-Software aufgrund ihrer umfassenden Systemrechte besonders kritische Gäste in der eigenen Infrastruktur sind, die zudem funktionsbedingt einen Kanal zum Nach-Hause-Telefonieren benötigen, wurde ebenfalls immer wieder diskutiert. Und doch kommen nur ganz wenige Organisationen von ihnen los. Zu groß scheint der Nutzen in Bezug auf übliche Malware, zu groß das Compliance- und Haftungsrisiko, wenn man Antiviren-Software nicht nutzt.

Nun hat mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine die Diskussion neuen Anschub erhalten: Der im Enterprise-Bereich beliebte Hersteller Kaspersky gilt potenziell als durch Moskau steuerbar. So blieb es diesmal nicht bei den üblichen abstrakten Aufrufen, Risikomanagement für die eigene Supply Chain zu betreiben. Das BSI nutzte vielmehr den bisher nur dreimal gezogenen § 7 BSI-Gesetz, um konkret vor dem Einsatz von Kaspersky-Produkten zu warnen.

Obwohl dies nicht mit einem Verbot gleichzusetzen ist, kommen deutsche Unternehmen und Behörden nun in Bedrängnis. Schließlich ist die Migration auf ein neues Antivirus-Produkt nicht mal nebenbei gemacht und außerdem mit erheblichen Kosten verbunden, von der Frage öffentlicher Mittel im Fall von Behörden ganz zu schweigen.

Wie ist das ganze also einzuordnen? Zunächst hat das BSI völlig recht: Der Einsatz russischer Produkte in deutschen kritischen Infrastrukturen war vor dem 24. Februar ein Risiko – und ist es jetzt umso mehr. Niemand kann sicher vorhersagen, inwieweit und wann sich der Krieg doch noch stärker in den bisher erstaunlich ruhigen Cyberraum bewegen wird.

Auf der anderen Seite ist Ruhe bewahren das Gebot der Stunde. Natürlich versuchen Geheimdienste und andere „state-sponsored“ Akteure seit Jahren, in Infrastrukturen hierzulande einzudringen. Und es ist zwar nicht auszuschließen, dass ihnen dafür bestimmte Software helfen kann, die schon einen Fuß in der Tür hat. Auf der anderen Seite haben bisherige Angriffskampagnen ganz andere Vektoren zu nutzen gewusst, von Phishing über RDP bis Teamviewer. Es gibt also viel mehr – und übrigens auch viel dringendere – Hausaufgaben zu tun, als sofort Kaspersky den Stecker zu ziehen. Und kritischen Playern wie der Rüstungsindustrie wäre mit solch einer Warnung des BSI eh nicht mehr zu helfen, wenn sie bisher auf derartige Produkte gesetzt hätten.

Allerdings ist es nützlich, den aktuellen Anlass zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme zu nutzen, wie abhängig die eigene Infrastruktur von bestimmten Staaten ist. Und im Fall von Russland hat sich die Einschätzung, was Vertrauen und Sicherheit betrifft, eben noch einmal eingedunkelt.

Am Ende könnte die Abkehr von Kaspersky zwar nicht mit dem Paukenschlag der BSI-Warnung, sondern mit den Füßen erfolgen: Wenn bei den nächsten Lizenzverlängerungen die Geopolitik als ein weiteres, wichtiges Argument mit auf den Tisch kommt. Oder wenn aktuell die eine oder andere Cyberversicherung schreibt, dass ein Umstieg weg von Kaspersky zwar keine Voraussetzung für die Weiterführung der Police sei, im Schadensfall aber ggf. keine Deckung erfolge, falls das der Angriffsvektor wäre. Es ist also in der neuen Weltordnung ein Stück riskanter geworden, Kaspersky langfristig die Treue zu halten.

Fazit: Mit einer angemessenen Risikoanalyse und einem Lagebild der eigenen Situation im Zusammenspiel mit den konkreten Gefährdungen (Ransomware lässt grüßen) fährt man derzeit besser, als mit hektischer Deinstallation von Schutzsoftware.

https://www.dw.com/de/warnstufe-orange-deutsche-unternehmen-im-visier-russischer-hacker/a-61232466

BSI-Warnung: https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/Warnungen-nach-P7_BSIG/Archiv/2022/BSI_W-004-220315.html

Malen ohne war einmal: Malware für Macs

Es hat sich über die letzten Jahre langsam herumgesprochen: Auch für Apples macOS gibt es Schadsoftware. So kommt es nicht unerwartet, dass sich auch bei Mac-Malware steigende Softwarequalität durchsetzt. Ein Ransomware-Schädling namens EvilQuest verbreitet sich derzeit über Raubkopien und Software-Updates aus fragwürdigen Quellen. Eine kostengünstige Entsperrung der verschlüsselten Daten wird bereits für 50 US-Dollar in Bitcoin angeboten. Doch der Service Gedanke trügt: Die Ransomware ist nur ein Puzzleteil einer umfangreichen Supply-Chain.
Selbst wenn der Nutzer zahlt, endet damit nicht der Service der Schadsoftware-„Hersteller“, denn EvilQuest beherrscht auch die Suche nach Virenscannern und Tools zur Verwaltung von Kryptowährungen sowie die Installation eines Keyloggers und einer Fernsteuerung für den Angreifer (Reverse Shell). Zudem setzt sich die Malware tief im System fest und überträgt Nutzerdaten auf den Server des Angreifers.
Um derlei Risiken zu reduzieren, sollte man vertrauenswürdige Download-Quellen verwenden –sowohl bei der Installation als auch bei Updates – um die eigene Supply-Chain sauber zu halten. Denn auch wenn der macOS-interne Schutz XProtect die Malware inzwischen blockiert und gegen die mangelhafte Verschlüsselung ein Tool existiert, bleiben drei Fragen offen, die Nutzer aller Betriebssysteme vereint: Ist der Angreifer noch da? Wo sind meine persönlichen Daten? Habe ich ein aktuelles Offline-Backup meiner wichtigsten Daten?

https://www.heise.de/news/Neue-Mac-Ransomware-kursiert-in-illegalen-Kopien-4800485.html

https://www.heise.de/news/Mac-Malware-EvilQuest-ThiefQuest-Entschluesselungs-Tool-soll-helfen-4839435.html

AaaS: Attribution as a Service

Der Hersteller von Antivirenschutz Kaspersky hat einen Dienst veröffentlicht, der interne Analysten bereits seit Jahren darin unterstützt, Malware(-Fragmente) bestimmten Akteuren zuzuordnen. Die Software „Kaspersky Threat Attribution Engine“ (KTAE), verfügbar für alle Abonnenten des „Kaspersky Intelligence Reporting“, kann über Machine Learning Ähnlichkeiten in Code-Fragmenten erkennen und so Verwandtschaften finden und eventuell eine Attribution des Urhebers vornehmen.

Über die technische Schwierigkeit von Attribution und die politischen Risiken bei Fehlern wurde schon viel gesagt. Interessanterweise hat KTAE ausgerechnet dabei helfen können, sogenannte „False Flags“, also absichtlich gepflanzte, gefälschte Hinweise auf einen anderen Ursprung, zu entdecken, weil die Techniken der Täuschung an der Stelle noch nicht so ausgefeilt sind.

https://securelist.com/big-threats-using-code-similarity-part-1/97239/

Shameware – RagnarLocker-Angriff auf Energieunternehmen

Analysen von Sicherheitsforschern zufolge haben Angreifer 11 Mio. US-Dollar Lösegeld von einem europäischen Energieriesen gefordert, sonst würden gestohlene Unternehmensdokumente herausgegeben. Die Gruppe, welche die RagnarLocker-Malware verwendet, scheint die in Lissabon ansässige Gruppe Energias de Portugal (EDP, 11.000 Mitarbeiter, Jahresumsatz gut 3,3 Mrd. Euro) ins Visier genommen zu haben. Diese unter dem Begriff „Shameware“ bekannte Erpressungsvariante geht in der Hebelwirkung über einfache Verschlüsselung von Daten hinaus.

https://www.infosecurity-magazine.com/news/energy-giant-edp-hit-10-million

Ebenfalls veröffentlicht wurden Daten der Stadtwerke Ludwigshafen, welche sich im Darknet wiederfanden.

https://www.golem.de/news/nach-hack-daten-von-stadtwerken-ludwigshafen-im-darknet-veroeffentlicht-2005-148484.html

Zahl der Cyberangriffe steigt rapide

Bitdefender Labs veröffentlichte eine Analyse, in der unter anderem Ausmaß und Zielgruppen der aktuellen Angriffe im Zusammenhang mit dem Coronavirus beschrieben werden. Bereits zu Mitte März war im Vergleich zum Februar die Zahl der Malware-Meldungen um 475 Prozent gestiegen. Vorrangig werden der Einzelhandel, das Hotel- und Gaststättengewerbe, das Gesundheitswesen, Institutionen der Verwaltung und Bildungs- und Forschungseinrichtungen attackiert.

https://www.it-daily.net/it-sicherheit/cyber-defence/23792-fuenfmal-mehr-malware-zum-coronavirus

Altbekannte Malware im neuen Corona-Vehikel

Auch die altbekannten Malware-Familien Emotet und Nanocore RAT werden aktuell gezielt als Anhänge von E-Mails im Zusammenhang mit Corona versandt. Da Unternehmen aktuell auf die Krise reagieren müssen, werden allerorts viele, oft dringende E-Mails zu diesem Thema verschickt. Dies nutzen die Angreifer aus und hoffen so, mehr potenzielle Opfer mit ihrer Malware zu infizieren.

Ich weiß, wo Du online Geld verdienst: Cyber-OK lernt dazu

Ransomware ist seit vielen Monaten die größte Geißel der IT – und zumindest derjenigen Menschen, die für diese verantwortlich sind. Erst letztens hatten wir berichtet, dass Emotet und Co. dazugelernt haben und statt mit dummen Standard-E-Mails in schlechter Übersetzung, nun frühere Kommunikationsstränge wiederverwerten, um so die Klickrate auf die Malware deutlich zu erhöhen. Unterdessen hat die im Hintergrund die Geschäftsprozesse spinnende organisierte Cyber-Kriminalität (Cyber-OK) anscheinend gelernt, dass es noch weitere gemeine Hebel gibt, um Opfer zur Zahlung zu bewegen. Es gilt schließlich für die Angreifer, die empfindlichste Stelle eines Unternehmens zu finden und auszunutzen. Denn je mehr Unternehmen auf starke Backup-Konzepte mit schreibgeschützten Sicherungen und realistischen, regelmäßigen Restoretests umstellen, desto mehr bewegt sich das Wettrüsten in Richtung anderer Erpressungsvektoren.

Mit salamitaktikhafter Veröffentlichung gestohlener Informationen haben Erpresser ebenfalls bereits gedroht (teils erfolgreich, teils nicht). Was lässt sich – möglichst (teil-)automatisiert, denn das Ganze soll ja skalieren – einem Unternehmen außer Datenkidnapping noch antun? Nun wurde eine weitere Masche in freier Wildbahn gesichtet: Für Publisher – „Verlage“, wie es in der alten Welt heißt – ist das Wertvollste die Schnittstelle zu ihren Anzeigenkunden, heutzutage meist vermittelt über Internetgiganten wie Google. Statt also die Webserver in Geiselhaft zu nehmen, haben Angreifer begonnen, die Anzeigen auf den Seiten derart oft klicken zu lassen, dass dies bei Google, Facebook & Co. als Werbemissbrauch gewertet wird und die dortigen Sicherheitsmechanismen den Werbeträger automatisch sperren. Bei Wiederholung droht sogar eine permanente Verbannung von der Werbeplattform – mithin der Entzug der Existenzgrundlage.

Selbstverständlich bietet die freundliche Gang von nebenan da zufälligerweise ein „Traffic Management“ an, das sich gegen Einwurf geeigneter Bitcoins gerne um dieses Problem kümmert und den Betrug-Betrug umgehend beendet.
Auf eine Art ist dies alles in der analogen Welt schon da gewesen. Überträge in die digitale ergeben trotzdem immer wieder neue und überraschende Gemengelagen.

https://krebsonsecurity.com/2020/02/pay-up-or-well-make-google-ban-your-ads

Dass Eingeweihte dies bereits seit langem wussten, dokumentiert sehr schön dieser Blog-Post von Security-Guru Bruce Schneier inklusive der Kommentare:

https://www.schneier.com/blog/archives/2020/02/crypto_ag_was_o.html